Normalerweise geht es hier ausschließlich um Sprache. Nach  mehr als sechs Jahren mache ich jetzt mal eine Ausnahme und berichte von einem Produkttest. Sprachtipps gibt es heute also nicht, dafür nützliche Infos für Schreibtischtäter/-innen, die etwas für ihren Rücken tun wollen. Und eine klare Empfehlung!

Worum geht’s?

Ich arbeite praktisch ausschließlich sitzend am Schreibtisch, meist am Rechner, hin und wieder auch auf Papier lesend. Mein ganzes bisheriges Berufsleben lang, auch schon vor der Selbstständigkeit. Dass das auf Dauer nicht ideal für den Rücken ist, ist mir schon länger klar; dass man nicht nur in der Freizeit für Ausgleich sorgen kann, eigentlich auch – eigentlich. Aber ich musste natürlich warten, bis mir mein Rücken in diesem Sommer deutlicher als jemals zuvor signalisiert, dass Aufschieben einfach nicht mehr gilt.

Diese Testaktion kommt also genau im richtigen Moment. Objekt ist ein höhenverstellbarer Schreibtischaufsatz der Firma VarideskGitte Härter bringt mich drauf:

Mit diesen Aufsätzen kann man abwechselnd im Sitzen und im Stehen arbeiten, was gut für den Rücken ist – und im Vergleich zu einem kompletten höhenverstellbaren Schreibtisch auch gut fürs Portemonnaie. Ich bewerbe mich also für den Produkttest, den die Agentur denkBar in Bremen betreut. Ich darf mir ein Modell aussuchen, bekomme es für einen Monat zur Verfügung gestellt und soll dann berichten. Ich werde für diese Berichte nicht bezahlt, und ich darf – und soll ausdrücklich! – schreiben, was ich wirklich über das Produkt denke. Das ist doch ein Deal!

Erster Eindruck

Ich entscheide mich für das Modell ProPlus 36 (Kaufpreis: 400 €), das ich aus den Niederlanden geschickt bekomme (die Reise per Kurier gleicht einer Odyssee und dauert 10 volle Tage; ob das eine Ausnahme ist, kann ich nicht beurteilen). Das Paket ist riesig und sehr schwer. Nur mit Mühe bekomme ich den Varidesk allein aus dem Karton heraus und auf den Schreibtisch gewuchtet. Kein Wunder: Das gute Stück wiegt 23,6 kg – ich selbst nur ungefähr das Zweieinhalbfache davon. Meine Bandscheiben ächzen vernehmlich.

Der Aufsatz wird fertig montiert geliefert und nicht auf dem Schreibtisch fixiert, er ruht sich einfach auf seinem Gewicht aus – da war ich vorher sehr skeptisch, aber es klappt tatsächlich. Entsprechend schwierig ist es auch, ihn auf der Schreibtischfläche zu verschieben. Pluspunkt aber: kein nerviges Geschraube. Und irgendwann sitzt dann ja auch mal alles am richtigen Platz.

Groß wie ein Raumschiff-Cockpit – aber alles Gewöhnungssache!

Der Aufsatz wirkt sehr stabil. Die Flächen für Monitore und Tastatur/Maus haben abgerundete Kanten und eine strapazierfähige, raue Oberfläche. Mein normal großes Mauspad mit Gelkissen findet dort aber leider nicht genug Platz. Das wiederum habe ich über die Jahre so schätzen gelernt, dass es mir schwerfällt, (zumindest für die Testphase) darauf zu verzichten. Die Testzeit wird zeigen, was mein Handballen auf Dauer dazu sagt.

Mit diesen Griffen verstellt man die Höhe

An der Seite der Monitorauflage finden sich Griffe, deren Kanten ebenfalls abgerundet sind und sich gut anfassen lassen. Löst man diese Griffe gegen einen kleinen Widerstand, lässt sich der Aufsatz in mehreren Stufen nach vorn oben bewegen. Für mich passen die Stufen gut, für andere aber vielleicht nicht – das könnte unter Umständen schwierig sein, denn für den Komfort kommt es tatsächlich manchmal auf Zentimeter an. Stabile Federn führen die Bewegung, sodass man nicht das Gefühl hat, tatsächlich zwei Monitore zu heben. Das geht in der Aufwärtsbewegung auf Anhieb nicht so einfach, aber es übt sich sehr schnell. In der gewählten Stellung rastet der Aufsatz ein und ist einsatzbereit:

Das ist meine Höhe – es geht höher, bis die Seitenteile senkrecht stehen

Im hochgefahrenen Zustand schwingt der Varidesk leicht, das lässt sich aber wohl kaum vermeiden und hält sich auch absolut in Grenzen. In Tiefstellung ähnelt die Komposition einem Raumschiff-Kommandostand. Sie wirkt einfach gewaltig – aber im Verlauf des Tests wird sich zeigen, dass das Gewöhnungssache ist.

Testphase

Vor dem Test hätte ich gedacht, dass ich vor allem zweite Durchgänge durch Dokumente im Stehen absolvieren würde, bei denen ich bereits lektorierte Texte noch einmal gegenlese und nur noch Feinschliff-Korrekturen mache. Ich habe mir vorgestellt, dass es anstrengend ist, im Stehen zu tippen. Weit gefehlt! Gleich am ersten Tag verbringe ich deutlich mehr Arbeitszeit stehend als im Sitzen. Und ich merke, dass das viel dynamischer ist, denn so ruhig, wie man sitzt, steht man nicht. Man ist viel mehr in Bewegung, und das ist grundsätzlich immer gut.

Am nächsten Tag kommt die erste Quittung:

Ich lasse mich von dem Bericht inspirieren, den Gitte Härter inzwischen auf ihrem Blog veröffentlicht hat, und nehme mir einen Karton dazu, auf dem ich abwechselnd immer mal einen Fuß abstelle. Das entlastet gleichzeitig mein Hohlkreuz (das ich schon deutlich spüre) und sorgt wiederum für neue Bewegung. Zwischendurch, wenn ich wirklich gerade nur lesen und nicht tippen muss, stelle ich mich auf ein Balance Board. Plötzlich kann ich gar nicht genug Bewegung in meinen Arbeitsalltag bringen. Und das macht richtig Spaß!

Sehr praktisch finde ich, dass die Tastaturablage genauso breit ist wie die für die Monitore und dass Letztere eine angedeutete U-Form hat. So gibt es zusätzliche Ablagefläche, auf der Ausdrucke, Stifte oder andere Utensilien Platz finden, die man für die jeweilige Tätigkeit braucht.

Ablagefläche auf der Monitor-Ebene

Und wenn ich gerade mal nur lese und nicht tippe, lege ich meine Hände außen an die Tastaturablage, wodurch meine Schultern nach außen gezogen werden – auch das ist gut für den Rücken. Im Sitzen habe ich die lästige Angewohnheit, mich immer mal wieder auf die Ellbogen zu stützen, wodurch natürlich der Rücken krumm wird und das ganze Kreuz sich verbiegt. Das passiert im Stehen natürlich überhaupt nicht mehr. Gut so!

Nach der halben Testzeit deutet sich bereits an, dass der Aufsatz nicht nur die Testphase bei mir verbringen wird:

Fazit: Der soll bleiben!

Schon nach wenigen Test-Tagen kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, wie ich jemals ausschließlich im Sitzen arbeiten konnte. Mein Arbeitstag ist insgesamt viel dynamischer geworden: Mehrmals am Tag wechsele ich vom Stehen ins Sitzen und bin insbesondere während der Standphasen ständig in Bewegung. Auch außerhalb des Büros merke ich, dass sich meine Haltung verbessert, und ich habe deutlich weniger Rückenbeschwerden als vor dem Test. Gerade die Schulterpartie ist merkbar entspannter, aber auch im unteren Rücken spüre ich eine deutliche Erleichterung.

Für mich sind noch einige kleinere Folge-Investitionen nötig: Ohne Gel-Mauspad kann ich nicht gut arbeiten, und mein altes ist, wie beschrieben, zu groß für den Varidesk. Außerdem ist es ratsam, sich für die Arbeit im Stehen eine feste Schaumstoffmatte zuzulegen (werden unter dem Begriff »Anti-Ermüdungsmatte« geführt). Aber dieses Geld investiere ich gern – im Sinne meines Rückens.

Liebe Leute von denkBar PR: Vielen Dank für die Möglichkeit dieses Tests, die für mich genau zur richtigen Zeit kam! Das mit der Abholung können wir uns sparen – und zwar nicht wegen des Kuriers und auch nicht, weil ich gar nicht weiß, wie ich das Ding allein wieder in die Verpackung bekommen soll. Ihr dürft mir eine Rechnung für den Varidesk schicken, denn: Den gebe ich nicht mehr her!

Ein Hinweis für Interessenten bzw. Neu-Benutzer

Zu Anfang hatte ich Schwierigkeiten mit der Funk-Maus, wenn ich im Stehen gearbeitet habe. Ich hatte zunächst die raue Oberfläche des Aufsatzes als Übeltäter in Verdacht; tatsächlich hatte ich aber nicht daran gedacht, den Empfänger mit auf den Aufsatz zu stellen. Wenn der auf der Schreibtischoberfläche steht und der Aufsatz hochgestellt ist, klappt die Verbindung natürlich nur sehr mühsam.

 

Ergänzung (23.10.2015): Weitere Testberichte aus meinem Netzwerk

Varidesk in Action: Video-Fazit von Gitte Härter

Tagebuch-Testbericht von Deichgrafikerin Katja Frauenkron

 

Ergänzung 2 (28.10.2015): Zusätzliche Käufe

Es gibt nur relativ wenige Mauspads mit Gelkissen, die klein genug für den Varidesk sind. Entsprechend winzig sind auch die Gelkissen, was für mich, die ich an eine großzügig bemessene Handballenauflage gewöhnt bin, keine Option war. Meine Lösung ist jetzt ein Gelkissen ohne Mauspad (von Speedlink, nennt sich »Wrist Rest«). Die Geräusche, die die Maus auf der Varidesk-Oberfläche macht, halten sich für mich in Grenzen; wer da empfindlich ist, sollte besser zunächst ausprobieren, ob die Geräusche der eigenen Maus zu viel Nervpotenzial haben.

Handballenauflage ohne Mauspad

Zusätzlich habe ich mir jetzt noch ein Balance-Pad zugelegt. Die Modelle, die als »Anti-Ermüdungsmatten« in Ergonomie-Fachgeschäften verkauft werden, sind meist relativ teuer. Ich habe mich vorerst für ein vergleichsweise günstiges Pad von ALEX entschieden (bei Karstadt für knapp 30 Euro, etwas kleiner für 24 Euro), das ich als sehr angenehm empfinde. Es ist relativ dick (knapp 6 cm). Wenn man darauf steht, sinkt man etwas ein, und die kleinen, tief liegenden Muskeln im Rumpf gleichen konstant diese »Unebenheiten« aus, man hat also auch ganz nebenbei noch ein wenig Training.

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