Kürzlich kam in einem Gespräch die Frage auf, wie sich das eigentlich höchst offiziell mit der Rechtschreibreform in Bezug auf Straßennamen verhält. Müssen Straßennamen in Dokumenten erst dann nach den neuen Regeln geschrieben werden, wenn die Reform auch auf den Straßenschildern und in Stadtplänen angekommen ist?
Die Antwort lautet natürlich: Nein! Die neuen Regeln sind in Kraft, und das seit August 2007 sogar verbindlich und ausschließlich. Im Duden* heißt es dazu:
Die Schreibung auf den Straßenschildern weicht oft von den Regeln ab, doch unabhängig von der Schreibweise auf Schildern sollen Straßennamen, beispielsweise innerhalb von Adressen, nach den gültigen orthografischen Regeln geschrieben werden.
Wenn also auf dem Straßenschild »Schloßstraße« steht, dann ist das kein Argument dafür, es auch in Adressen und sonstigen Texten so zu schreiben. Die Schreibweise mit ß ist inzwischen falsch: Wir haben es mit einem kurz ausgesprochenen o zu tun, deshalb schreibt man »Schloss« mit ss – und demzufolge »Schlossstraße« mit drei s. Bei »Straße« spricht man das a lang aus, deshalb bleibt dort das ß.
Wir wollen mal davon ausgehen, dass Städte und Gemeinden nur deshalb keine neuen Schilder aufstellen, weil sie keine Steuergelder verschwenden wollen.
_____
* Band 9: »Richtiges und gutes Deutsch«, 7. Aufl. 2011
Hallo,
in vielen Städten gelten Straßennamen aber als Eigennamen, weil die Namensgebung historische Bedeutung hat. Diese Namen werden dann nicht der neuen Rechtschreibung angepasst.
Schönes Beispiel hierfür ist die „Schloßstraße“ in Berlin, die sich weiterhin mit ß schreibt. Weil sie aufgrund ihrer Geschichte und ihrer noch heute besonderen Bedeutung für die Stadt als Eigenname geführt wird: https://de.wikipedia.org/wiki/Schloßstraße_(Berlin-Steglitz)#Namensgebung_und_Schreibweise
Hallo Marcel,
ja, hier in Hamburg steht auf Straßenschildern, in behördlichen und vielen, vielen sonstigen Dokumenten auch immer noch „Schloßstraße“. Richtig ist auch, dass Eigennamen von der Rechtschreibreform ausgeschlossen sind – deshalb schreibt man zum Beispiel die Litfaßsäule immer noch mit ß. Das Wort „Schloß“ allerdings ist so oder so kein Eigenname. Wenn irgendwer in Berlin also beschlossen hat, dass die dortige Schloßstraße weiterhin mit ß geschrieben wird, dann mag das zwar so anerkannt sein, aber es verstößt trotzdem gegen die gültigen Rechtschreibregeln. 😉
In Berlin scheint es mir schon Tradition zu sein, einen eigenwilligen Umgang mit Rechtschreibreformen (und andere Schreibänderungen) auf Straßenschildern zu pflegen, auch wenn dadurch der Bezug des Straßennamens undeutlich wird. (Auch „Schloß“ mit ß hat ja im Deutschen nach neuer Rechtschreibung eine andere Bedeutung als „Schloss“, obwohl „Schloß“, mit langem o, natürlich recht ungewöhnlich für einen Straßennamen wäre.)
Berühmtestes Beispiel ist wohl das „Kottbusser Tor“, das nach Cottbus benannt ist, aber auch die „Sakrower Landstraße“, die heute nach dem Mauerfall schon lange wieder direkt in den Vorort Sacrow führt. Ich habe noch nicht genau recherchiert, inwieweit das direkt mit der Rechtschreibreform von 1901 zu tun hat, aber Fakt ist, dass vor dieser ersten Reform in der Rechtschreibung von Fremdwörtern die Schreibung mit c anstelle von z und k vorherrschte („Circus“, „Actie“ usw.). Die Schreibung mit c anstelle von k war auch in vielen Ortsnamen verbreitet. Erst zum Ende des 19. Jh. und dann schließlich im Zuge der Reform vom 1901 haben viele Orte ihre Schreibung auf die Schreibung mit k umgestellt – aber eben nicht alle. Vielleicht gab es auch Rückumbenennungen wieder von k zu c. Jedenfalls scheint es mir so, als wenn Berlin vielleicht sogar in vorauseilendem Gehorsam die Schreibung mit k bei den Straßenbenennungen eingeführt hat.
Vielleicht will es heute nicht wieder denselben Fehler begehen und wartet ab, ob die aktuelle Reform nicht doch noch wieder gekippt wird …
Es gibt auch noch Beispiele aus anderen Rechtschreibbereichen, die mit der Reform von 1901 in Zusammehang stehen: da gibt es z.B. die Joachimstaler Straße in der Nähe vom Zoo, die nach dem Ort Joachimsthal benannt ist.
Wenn man also in Berlin die Schloßstraßen umbenennt, müsste überlegt werden, ob nicht auch die anderen Ungereimtheiten verändert werden müssten – ob es dann nicht erheblichen Protest am „Kotti“ geben würde? 😉
Ja, gerade in Großstädten ist dieses Thema ein sehr weites Feld. Ich finde es durchaus schön, wenn auf Straßenschildern noch ein wenig Geschichte durchscheint, aber bei Begriffen wie »Schloß« finde ich das unnötig. In meinem Adressblock schreibe ich die Schlossstraße mit drei s. Ich glaube aber nicht, dass ich »Cottbusser Tor« schreiben würde, wenn mein Büro dort wäre. Seltsam … 😉
Manchmal ist es auch bloß Interesselosigkeit. In Berlin wurden an zwei Masten die witterungszerschlissenen Schilder „Dessauerstraße“ (benannt nach Herrn Leopold Dessauer) durch welche mit der Aufschrift „Dessauer Straße“ ersetzt. Während die anderen zirka 16 Schilder – gleichfalls wie die von den Bauarbeitern demontierten Schilder – weiterhin „Dessauerstraße“ lauten. Solche Firmen brauchen doch nur die paar Seiten des Dudens kennen, die die Straßennamenschreibung betreffen …
Zitat aus dem Text: „Bei »Straße« spricht man das a lang aus, deshalb bleibt dort das ß. “
Soweit ist das schon klar – aber nicht konsequent:
Wieso schreibt man Hase und Nase mit normalem s? Ich höre und spreche keinen Unterschied zwischen Straße, Nase oder Hase. Konsequenterweise müsste man doch „Strase“ schreiben – oder eben „Naße“ und „Haße“?
Hallo Emil,
die Faustregel mit dem langen/lang ausgesprochenen Vokal gilt für die Unterscheidung zwischen ss und ß, aber nicht für die mit dem einfachen s.
Ich höre übrigens einen großen Unterschied zwischen »Straße« und »Nase«! Zwar ist das a in beiden Fällen lang, aber der s-Laut ist einmal stimmlos (Straße) und einmal stimmhaft (Nase).
Hallo, Emil!
Es gibt Gegenden in Deutschland (insbesondere im südlichen Teil), wo „Straße“ und „Nase“ gleich klingen, weil dort der als stimmlos bezeichnete s-Laut (scharf bzw. zischend klingend) gegenüber dem als stimmhaft bezeichneten s-Laut (summend klingend) dominiert.
Ich komme nicht aus dem Süden, daher bin ich mr nicht sicher, ob es dort nur den stimmlosen s-Laut gibt oder ab und zu auch den stimmhaften. Wie sprichst Du z.B. das Wort „Soße“ aus?
Wie ist das eigentlich mit Personennamen? Darf Herr Schloßmann sein ß behalten, wenn er einen neuen Personalausweis bekommt? Darf das Neugeborene wieder Schloßmann mit ß heißen?
Ja! Die Reform gilt nicht für Namen. Deshalb heißt es zum Beispiel auch weiterhin »Litfaßsäule«, denn die ist nach Herrn Litfaß benannt.
„Die neuen Regeln sind in Kraft, und das seit August 2007 sogar verbindlich und ausschließlich.“
Jein: Ja, sie sind in Kraft, aber verbindlich und ausschließlich gelten sie nur in der Schule (siehe das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1998, Aktenzeichen 1 BvR 1640/97, Absätze 163 und 164). Außerdem können Behörden die reformierte Schreibung als verbindlich festlegen (Regelungsgewalt des Staates).