In den letzten Tagen meldeten diverse Tageszeitungen, der Begriff »Vorständin« habe der Duden-Redaktion zufolge »gute Chancen«, in die gelbe Rechtschreibbibel aufgenommen zu werden. In der Online-Variante ist er bereits vertreten.
Als ich diese Meldung am Sonntag das erste Mal las, ging mein erster Blick zum Kalender: Nein, wir haben nicht April, sondern Januar – das Ganze ist offenbar kein Scherz.
Wenn Dinge im täglichen Leben bestimmte (neue) Bezeichnungen bekommen, die sich auf breiter Front durchsetzen, dann landen die über kurz oder lang im Duden. So geschehen zum Beispiel mit »twittern« oder mit »Bundeskanzlerin«. Ich finde das interessant und bereichernd, denn Sprache ist nicht statisch. Sie entwickelt sich stetig weiter, und es ist gut und richtig, dass der Duden darauf reagiert. In diesem Fall aber, so meine ich, hat sich die Redaktion vergaloppiert.
Zum einen bezweifle ich stark, dass dieser Begriff tatsächlich so gängig ist (oder sein wird), dass er nach diesen Kriterien einen Duden-Eintrag rechtfertigen könnte. Das hat nichts damit zu tun, dass die Zahl der Frauen in deutschen Unternehmensvorständen bisher noch recht übersichtlich ist. Vielmehr bezeichnet der Begriff »Vorstand« ja ursprünglich das Gremium, also eine Gruppe von Menschen. Wenn man einzelne Personen, die diesem Gremium angehören, »Vorstand« nennt, dann war damit zwar bisher in den meisten Fällen ein Mann gemeint; dennoch ist der Begriff in dieser Bedeutung doch wohl eine Kurzform von »Vorstandsmitglied« – und damit ein geschlechtsneutraler Oberbegriff, auch wenn er grammatisch zufällig maskulin ist.
Ein Mitglied kann ein Mann oder eine Frau sein, genauso wie ein Gast (ebenfalls maskulin) oder ein Mensch (dito) – oder eben ein Finanz- oder Personalvorstand. »Vorständin« folgt derselben Struktur wie »Menschin« oder »Gästin«. Aber die Duden-Redaktion ist meines Wissens nie auf die Idee gekommen, letztere Begriffe aufzunehmen – zu Recht, denn falsches Deutsch hat im Duden, Verbreitung hin oder her, nichts zu suchen.
Warum sollte das bei »Vorständin« anders sein?
Leider muß unsere deutsche Sprache in diesen bewegten Zeiten immer wieder dazu herhalten, Platz für nicht gerade sinnstiftende Neuschöpfungen zu ermöglichen. Neben zahlreichen wenig hilfreichen und überflüssigen Anglizismen ( Public Viewing , Handy ) wird jetzt bereits in Duden – Kreisen das Wort „ Vorständin“ für salonfähig gehalten.
Da allerdings ein Vorstand, trotz des männlichen Bestimmungswortes „ der“, als geschlechtsneutrales Gremium bezeichnet wird, müsste nun unweigerlich das männliche Äquivalent von Vorständin folgen, nämlich Vorständler. Bald darf eine Mitarbeiterin eines Autohauses nur noch als Autohäuslerin bezeichnet werden, damit würden ihre männliche Kollegen zu Autohäuslern. Spätestens beim Wort „ Männin“ könnten diese Bestrebungen sich ad absurdum führen und als entbehrliches Nullsummenspiel erkannt werden.