Substantivitis ist eine schmerzhafte Angelegenheit – allerdings meist nicht für den, der davon befallen ist, sondern für seine Umwelt:
Dies schließt die Pflicht zur Initiierung der Entscheidung und die Verantwortung für die Vorbereitung und ggf. die Überwachung der Umsetzung der Entscheidung ein.
Das könnte so in fast jedem offiziellen oder halb-offiziellen Papier meines Arbeitgebers stehen. Die Kollegen können schon gar nicht mehr anders schreiben. Irgendwann zu Preußenzeiten oder noch davor muß man dem deutschen Michel mal eingeprügelt haben, dass jedes näherungsweise offizielle Schreiben bei Substantiven und Kettensätzen das Beamtendeutsch locker übertreffen muß. Und seit dem schleppt sich dass durch Familien, Schulen, Firmen und nicht zuletzt Behörden und wird von Generation zu Generation weitergegeben wie eine Erbkrankheit.
Mit dem bißchen Wissen über Texte und Präsentationen, dass ich bei unserem gemeinsamen Ex-Arbeitgeber gelernt und noch nicht wieder vergessen habe, kann ich da noch reichlich Eindruck machen. Einfach nur substantivierte Verben wieder zu echten Verben machen, ein paar Badwords rauswerfen und schon kommt Lob von allen Seiten.
Ich habe den Eindruck, die andere Qualität der Texte kommt im Bewußtsein der Kollegen an, aber sie nehmen den Unterschied nicht bewußt wahr und kommen deshalb gar nicht darauf, dass sie unter Substantivitis leiden.
Ja, das kann ich bestätigen: Die Leute merken, dass sich die Texte nach einer Bearbeitung deutlich besser und flüssiger lesen lassen als vorher – oder auch einfach nur, dass manche Texte besser lesbar sind als andere. Woran das genau liegt, können die meisten aber nicht benennen.